Handbuch Philippinen – Von der Idee bis zur 6. Auflage
Dr. Rainer Werning, Co-Herausgeber der 6. Auflage des « Handbuch Philippinen », befasst sich mit den beunruhigenden Entwicklungen unter der politischen Führung von Duterte.
Dr. Werning – für uns « der Rainer » – ist Politologe und Publizist mit den Schwerpunkten Südost- und Ostasien. Seit nunmehr zwei Jahrzehnten liefert er u.a. Hintergrundartikel zu den Philippinen für unser Magazin « Brennpunkt Drëtt Welt », die unseren Lesern ein besseres Verständnis des politischen Kontexts unserer Projekte dort ermöglichen. Die verschiedenen Auflagen seines « Handbuch Philippinen » haben über Jahre hinweg den MitarbeiterInnen der ASTM als wertvolle Einleitung in und Vorbereitung auf die Philippinenarbeit gedient.
Wir wollten von Rainer wissen, wie es zu seiner Passion für die Philippinen und zum « Handbuch » kam.
ASTM: Du bist Mitherausgeber der mittlerweile 6. Auflage des Handbuch Philippinen. Wie ist Dir eigentlich die Idee zu diesem Buch gekommen?
Die Idee entstand 2005 im Rheinland während eines langen Gesprächs und trinkfreudigen Abends mit meinem früheren Ko-Herausgeber Niklas Reese. Niklas hatte 2004 einen längeren Beitrag unter dem Titel „Armut unter Palmen“ veröffentlicht. Gemeinsam hatten wir andere Artikel zu den Philippinen geschrieben und wir überlegten nun, wie wir sie angemessen veröffentlichen könnten. Ich war der Meinung, es sei wichtig, ein breites Publikum zu erreichen, am besten im Form eines möglichst umfassend informierenden Buches. Schnell erklärte sich der Horlemann Verlag (damals in Bad Honnef domiziliert) bereit, das Buch herauszugeben. Unsere Herausforderung bestand darin, philippinische Texte, Kontexte und Subtexte in popularisierender Weise Menschen zugänglich zu machen, die (noch) keinerlei Ahnung von dem Land haben, anstatt sich eines wissenschaftlichen Jargons zu bedienen und Dinge zu vulgarisieren.
Als die erste Auflage des Handbuchs erschien, fand es sogleich großen Anklang, vor allem als nützliches Hilfsmittel für Menschen unterschiedlicher Coleur, die für NGOs und Hilfswerke arbeiteten oder in entwicklungspolitischen Zusammenhängen, Stiftungen u.ä. tätig waren. Es wird auch in der Akademie für Internationale Zusammenarbeit (AIZ) in Bonn benutzt, wo unter anderem Vorbereitungskurse für Fachkräfte ausgerichtet werden, die beruflich ins Ausland, zum Beispiel im Auftrag des BMZ oder der GIZ, gehen bzw. entsandt werden. In der AIZ und ihren Vorläuferinstitutionen arbeite ich übrigens seit vielen Jahren mit meiner Frau zusammen und wir trainieren dort das für die Ausreise vorgesehene Fachpersonal. Im Mai 2006 konnte ich das Buchanlässlich einer Philippinenwoche der ASTM erstmalig auch in Luxembourg öffentlich vorstellen.
Es folgten dann eine zweite und dritte Auflage, schließlich, als Präsident Aquino 2010 an die Macht kam, brachten wir eine vierte, gründlich überarbeitete und erweiterte Version und 2015 eine fünfte Auflage heraus. Nach dem Amtsantritt Dutertes 2016 war eine neue, auf eben die Dutertismo-Ära zugeschnittene Ausgabe unbedingt notwendig.
ASTM: Warum die Philippinen? Was war der Bezug zu diesem Land für Dich?
Warum eigentlich nicht?! (lacht) Nun, als ich 1970 das erste Mal im Land war, wollte ich ursprünglich drei Wochen bleiben, daraus wurden aber anderthalb Jahre! Ich hatte das ungeheure Privileg und die Möglichkeit, von zahlreichen liebevollen und warmherzigen Menschen gebeten worden zu sein, eine Zeit lang bei und mit ihnen zu wohnen und zu leben. Darunter befand sich auch die Familie des Chefredakteurs einer namhaften Tageszeitung in Manila, die damals in der Nähe der Universität der Philippinen in Diliman, Quezon City, wohnte. Diese Uni war zu der Zeit ein „hotbed of political and social unrest“. Durch enge Freundschaften mit zahlreichen studentischen Aktivisten vor Ort, fortschrittlichen Intellektuellen und linken Publizisten wurde ich nolens volens unmittelbar Teil des politisch bewegten wie bewegenden Geschehens auf den Inseln, die ich gleichzeitig intensiv bereiste.
Ich ging im Sommer 1971 zurück nach Europa – voller Ideen, Erfahrungen und Erlebnisse. 1972, als Marcos das Kriegsrecht verhängte, gingen zwei besonders gute Freunde in den Untergrund und schlossen sich dort der NPA an. Erst später erfuhr ich, dass sie in Feuergefechten mit AFP-Einheiten erschossen worden waren und anderen Genossen zwischenzeitlich die Flucht ins Ausland – darunter auch in den Niederlanden – geglückt war. Ich übersetzte daraufhin die damalige „Bibel“ der philippinischen Linken, „Philippine Society and Revolution“aus der Feder von Amado Guerrero (Pseudonym von José Maria Sison, dem CPP-Gründungsvorsitzenden und heutigen politischen Chefberater des Untergrundbündnisses der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen, NDFP), ins Deutsche und gelobte, bis zu meinem letzten Atemzug den gefallenen Genossen die ihnen gebührende Wertschätzung und Ehre durch aktives Engagement in der internationalen Philippinen-Solidarität zu erweisen.
Später, mit meiner philippinischen Lebensgefährtin Mary Lou verheiratet, kamen dann auch familiäre Bezüge hinzu. So beginnt meistens mein und unser Tag damit, dass wir morgens mit Nachrichten aus den Philippinen aufwachen. Da diese in der Regel unschöner Natur sind, widme ich mich dem Studium anderer Länder in der Region, engagierte mich dort ebenfalls in entsprechenden Solidaritätsnetzwerken und publizierte viel in Printmedien und für Rundfunksender. Buchpublikationen, Vorträge und Lehraufträge an Universitäten ermöglichten schließlich ein aus meiner Sicht idealtypisches Ineinanderfließen von Beruf, Berufung und Hobby.
ASTM: Du bist ein Aktivist?
Ja gewiss, seit meiner Jugend ein kompromissloser linker Humanist, der die Gegebenheiten mitnichten als die best mögliche aller Welten ansieht. Der Linken vornehmste Aufgabe sehe ich darin, so viel Macht wie möglich durch pfiffige Liaisonarbeit zu gewinnen, um herrschaftliche Verhältnisse zu brechen und die Herrschaft von Menschen über Mensch und Natur zu verunmöglichen! In diesem Zusammenhang sprach Rosa Luxemburg einst von der Alternative – „Sozialismus oder Barbarei“. So sinnig und stimmig ich das persönlich betrachte, so sehr ist mir mitunter schmerzlich bewusst, dass momentan das Pendel nicht gerade im Sinne unserer Seite ausschlägt. Doch ich gehe auch davon aus, dass sich die Dinge wieder einmal zu unseren Gunsten wenden.
ASTM: Und jetzt mehr dann je?
Mit der 6. Auflage des Handbuch Philippinenist der Impetus gegeben, sich wieder des Kampfgeistes wie einst unter Marcos zu besinnen. Das verschafft einem mitunter auch Albträume. Kraft lässt sich allerdings immerfort aus einem direkten „people-to-people approach“ schöpfen. Also gemeinsam mit Gleichgesinnten und auch unerwarteten Bündnispartnern unterschiedlicher Coleur beharrlich auf sozialpolitische Veränderungen hinzuwirken. Einzig die makropolitische Ebene im Kopf zu haben, macht irre und kirre! Das geht Euch beim ASTM/CITIM gewiss nicht anders – es sind die persönlichen Kontakte, die zählen, das gemeinsame Engagement, die geteilte Freude, das geteilte Leid. Sonst wäre es wohl angemessener, den Laden dicht zu machen!
Das Gespräch führten Katrin Mockel und Julie Smit von der ASTM.
Das Handbuch Philippinen“ von Dr. Rainer Werning und Jörg Schwieger können Sie kostenfrei im CITIM ausleihen.